Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Mittelschicht als Gegenstand der Sozialberichterstattung
Die Sozialberichterstattung fokussiert sich oftmals auf akute Notlagen und gleicht so einer Armutsberichterstattung. Im Zentrum stehen dabei die Bevölkerung, die Mindestsicherungsleistungen erhält oder armutsgefährdet ist. Als Vergleich dient der Blick auf die "Reichen". Als Träger der Gesellschaft und politischer Stabilität gilt jedoch die Mittelschicht der Gesellschaft. Sie ist oft ein Puffer zwischen Armut und Wohlstand.
Wenn viele Haushalte aus der Mitte in wirtschaftlich prekäre Einkommenssituationen abrutschen, ist das ein Signal für strukturelle Risiken, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungswesen oder im Bereich sozialer Mobilität. Wenn die Mittelschicht unter Druck gerät – sei es durch wirtschaftliche Belastungen, soziale Abstiegsängste oder politische Entfremdung – kann das das Vertrauen in Institutionen, den sozialen Zusammenhalt und demokratische Prozesse gefährden.
Deshalb ist es wichtig, neben der armutsgefährdeten Bevölkerung in der Sozialberichterstattung auch die Mittelschicht in den Blick zu nehmen. Sie umfasst große Teile der Bevölkerung und trägt entscheidend zur Finanzierung und Gestaltung des Gemeinwesens bei, ist jedoch zunehmend mit Unsicherheiten konfrontiert, angefangen von stark steigenden Lebenshaltungskosten bis zu wirtschaftlichem Strukturwandel verbunden mit drohendem Arbeitsplatzverlust.
Die Mittelschicht lässt sich dabei auf verschiedene Weisen definieren – ökonomisch, soziologisch und kulturell. Im vorliegenden Bericht wird eine rein ökonomische Definition verwendet, wonach zur Mittelschicht gehört, wer zwischen 75% und 200% des Medianeinkommens verfügt. Darunter liegen die niedrigen und darüber die hohen Einkommensschichten.
Zur feineren Differenzierung wurde die Mittelschicht zusätzlich aufgeteilt in untere, mittlere und obere Mittelschicht, um ihre Heterogenität darzustellen. Ziel der Darstellung im Statistikteil der HSBN ist es, ein Bewusstsein für die Lage der Mittelschicht zu schaffen, um ein übergeordnetes Bild zu ermitteln für künftige sozialpolitische Maßnahmen.
Mittelschicht in Niedersachsen umfasst knapp zwei Drittel der Bevölkerung
Die Mittelschicht stellt mit 64,9% der Bevölkerung im Jahr 2023 die größte soziale Gruppe in Niedersachsen dar und umfasst etwa 5,24 Millionen Menschen. Das monatliche Nettoeinkommen für einen Einpersonenhaushalt in dieser Gruppe lag zwischen 1.539 Euro und 4.104 Euro. Für ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren betrug die Einkommensspanne zwischen 3.232 Euro und 8.618 Euro. Die Mittelschicht gliedert sich intern in untere (21,7%), mittlere (31,5%) und obere Mitte (11,7%). Neben ihr wurden 28,3% der Bevölkerung der unteren Einkommensschicht und 6,8% der oberen Einkommensschicht zugeordnet.
Ausgewogene Altersstruktur
Paare mit und ohne Kinder als häufigste Haushaltsform Soziodemografisch ist die Mittelschicht durch eine ausgewogene Altersstruktur gekennzeichnet. Erwerbsfähige Personen sind überdurchschnittlich vertreten, während Kinder und Jugendliche sowie Menschen im Ruhestand unterdurchschnittlich in dieser Gruppe vorkommen. Besonders in der oberen Mitte sind ältere Menschen schwach vertreten, was auf Rentenlücken hindeutet.
Die Geschlechterverteilung ist relativ ausgeglichen, Männer sind jedoch geringfügig stärker vertreten, insbesondere in der mittleren und oberen Mitte. Die häufigsten Haushaltsformen innerhalb der Mittelschicht sind Paarhaushalte mit oder ohne Kinder; Einpersonenhaushalte sind deutlich unterrepräsentiert.
14 HSBN 2025 Statistikteil Haushalte mit Kindern zeigen differenzierte Muster: Die höchste Mittelschichtzugehörigkeit weisen Paare mit einem Kind auf (75,1%), gefolgt von Paaren mit zwei Kindern. Alleinerziehende hingegen sind stark benachteiligt, nur rund ein Drittel von ihnen lebt in der Mitte der Gesellschaft. Der überwiegende Teil befindet sich in der unteren Einkommensschicht, wobei die obere Mitte fast völlig fehlt.
Erwerbstätige und Rentnerinnen und Rentner prägend
Der Erwerbsstatus spielt eine entscheidende Rolle für die Zugehörigkeit zur Mittelschicht: Rund 60% der Personen in dieser Gruppe sind erwerbstätig. Unter Normalarbeitnehmerinnen und -nehmern liegt die Mittelschichtszugehörigkeit bei fast 80%, bei atypisch oder geringfügig Beschäftigten deutlich darunter. Erwerbslose und Alleinerziehende sind mit einem hohen Anteil in der unteren Einkommensschicht vertreten. Selbstständige zeichnen sich durch eine höhere Varianz aus: Sie sind zwar seltener Teil der Mittelschicht (60%), aber überdurchschnittlich häufig in der oberen Einkommensgruppe.
Deutlicher Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
Migrationshintergrund und Staatsangehörigkeit wirken sich deutlich auf die Zugehörigkeit zur Mittelschicht aus. Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft oder mit Migrationshintergrund sind hier deutlich unterrepräsentiert, insbesondere in der oberen Mitte. Im Gegensatz dazu leben viele dieser Personen in Haushalten der unteren Einkommensschicht. Kinder mit Migrationshintergrund erreichen seltener die mittlere und obere Mittelschicht (17% und 5%) als Kinder ohne Migrationshintergrund (34% und 11%).
Niedrig Qualifizierte selten Bestandteil der Mittelschicht
Auch das Bildungsniveau zeigt einen klaren Zusammenhang zur Mittelschichtzugehörigkeit. Hoch Qualifizierte sind überdurchschnittlich oft in der oberen Mitte vertreten (22,2%), während niedrig Qualifizierte vor allem der unteren Mitte oder gar der unteren Einkommensschicht angehören. Die Wahrscheinlichkeit zur oberen Mitte zu zählen, ist bei Geringqualifizierten mit nur 4,5% ausgesprochen niedrig.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mittelschicht in Niedersachsen durch Erwerbsarbeit, stabile Paarhaushalte, mittleres bis hohes Bildungsniveau sowie das Fehlen eines Migrationshintergrunds geprägt ist. Unterrepräsentiert sind Personen mit geringem Bildungsniveau, mit unsicheren Erwerbsverhältnissen, Alleinerziehende und Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Damit zeigt sich die Mittelschicht als soziales Zentrum mit klaren Zugangshürden für bestimmte Bevölkerungsgruppen, was für sozialpolitische Strategien bedeutsam ist
Die gesamte HSBN finden Sie hier. Unter diesem Link können Sie den Anlagenbericht als PDF ansehen.
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