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Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Familie in Niedersachsen Statistische Ämter des Bundes und der Länder

Armutsgefährdung und materielle Entbehrung

Der AROPE-Indikator (At Risk Of Poverty or social Exclusion) aus der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) misst Armutsgefährdung nicht nur anhand der Einkommensverteilung, sondern berücksichtigt auch das Ausmaß materieller und sozialer Entbehrung (Deprivation) und den Anteil der Personen, die in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung leben. Liegt eines der drei Kriterien "Armutsgefährdung", "erhebliche materielle und soziale Deprivation" oder "Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung" vor, wird nach der EU-Definition von "Armutsbedrohung oder sozialer Ausgrenzung" gesprochen. In Niedersachsen traf dies 2022 auf 23,9% der Bevölkerung zu (Deutschland: 20,9%).

Der Teilindikator zur "materiellen und sozialen Deprivation" (bis 2019 nur materielle Deprivation) geht der Frage nach, wie viele Menschen sich bestimmte Dinge aus finanziellen Gründen nicht leisten können, die von den meisten Menschen für eine angemessene Lebensführung jedoch als wünschenswert oder notwendig angesehen werden. Darunter fallen Ausgaben für 1) Hypotheken- oder Mietschulden oder Rechnungen für Versorgungsleistungen; 2) eine angemessene Beheizung der Wohnung; 3) unerwartete Ausgaben (2021: 1.150 Euro); 4) regelmäßige warme Mahlzeiten (jeden zweiten Tag) mit Fleisch oder pflanzlichem Eiweiß; 5) jährlich eine Urlaubsreise; 6) ein Auto; 7) abgewohnte Möbel zu ersetzen, 8) abgetragene Kleidungsstücke durch neue (nicht Second-Hand-Kleidung) zu ersetzen, 9) mindestens zwei Paar passende Schuhe in gutem Zustand zu besitzen; 10) wöchentlich einen geringen Geldbetrag für sich selbst aufzuwenden; 11) regelmäßige Freizeitaktivitäten (auch wenn diese Geld kosten); 12) mindestens einmal im Monat mit Freunden/Familie für ein Getränk/eine Mahlzeit zusammenzukommen; 13) eine Internetverbindung zu haben.

Erhebliche materielle und soziale Entbehrung (Deprivation) liegt vor, wenn 7 der 13 Kriterien aufgrund der Selbsteinschätzung des Haushalts beziehungsweise der Person erfüllt sind. In Niedersachsen traf dies 2022 auf 6,9% der Bevölkerung zu, bundesweit auf 6,1%.

Für Niedersachsen liegen für die Teilaspekte der sozialen und materiellen Entbehrung keine belastbaren Daten vor, anders als auf Bundesebene. Die Größenordnung ist jedoch auf ähnlichem Niveau erwartbar. Danach konnte beispielsweise mehr als jeder fünfte Haushalt (21,9%) in Deutschland es sich 2022 nicht leisten, mindestens eine Woche Urlaub pro Jahr woanders als zu Hause zu verbringen. Bei armutsgefährdeten Haushalten waren es fast die Hälfte (47,6%). Etwa jeder neunte Haushalt (11,4%) war finanziell nicht im Stande, sich jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder gleichwertiger Proteinzufuhr zu leisten. Unter den armutsgefährdeten Haushalten war es etwa jeder vierte Haushalt (24,0%). Jeder dritte Haushalt (33,5%) und 62,2% der armutsgefährdeten unter ihnen war nicht in der Lage, unerwartet anfallende Ausgaben in Höhe von mindestens 1.150 Euro zu bestreiten.

Die in die Erhebung ab 2020 hinzugekommenen sozialen Aspekte zeigen, dass 12,3% (2021: 9,5%) und unter den armutsgefährdeten Personen 27,1% (2021: 21,4%) sich regelmäßige Freizeitaktivitäten, die Geld kosten, nicht leisten konnten. Mindestens einmal im Monat mit Freunden oder der Familie für ein Getränk oder eine Mahlzeit zusammenzukommen, konnten sich 7,6% (2021: 5,8%) der Menschen in Deutschland und 17,2% (2021: 13,5%) der armutsgefährdeten unter ihnen nicht leisten.

Der dritte AROPE-Teilindikator "Haushalte mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung" gibt Auskunft darüber, wie hoch der Bevölkerungsanteil ist, der in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung lebt, was zumeist niedrige Haushaltseinkommen zur Folge hat. In Niedersachsen traf dies 2022 auf mehr als ein Zehntel der Bevölkerung zu (10,6%).

Definition des Indikators: Armut oder soziale Ausgrenzung sind bei EU-SILC gemäß EU-Definition dann gegeben, wenn eines oder mehrere der drei Kriterien "Armutsgefährdung", "erhebliche materielle und soziale Entbehrung", "Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung" vorliegen.

Methodische Hinweise: Ein Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung (auch: Erwerbslosenhaushalt) ist ein Haushalt, bei dem die tatsächliche Erwerbsbeteiligung der im Haushalt lebenden, erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder (Alter 18 bis unter 60 Jahre) weniger als 20% ihrer potenziellen Erwerbsbeteiligung beträgt.

Weiterführende Informationen: siehe Anhang sowie https://www.statistik.niedersachsen.de > Themen > Haushalte, Familien –Mikrozensus > Haushaltsbefragungen zu Einkommen, Konsum und Lebensbedingungen

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2023